Was von außen oft wie emotionale Kälte wirkt, hat meist tiefere, psychologische oder neurobiologische Ursachen. Ein Begriff, der in diesem Zusammenhang fällt, ist Alexithymie – wörtlich „ohne Worte für Gefühle“. Betroffene haben Schwierigkeiten, ihre eigenen Emotionen zu erkennen, zu benennen oder in Worte zu fassen. Sie spüren zwar körperliche Reaktionen wie Anspannung oder Unruhe, können diese aber nicht eindeutig als Freude, Angst oder Trauer deuten.
Etwa 10 Prozent der Bevölkerung sollen in unterschiedlichem Ausmaß von Alexithymie betroffen sein, Männer häufiger als Frauen.Auch im Autismus-Spektrum (ASS) kann die Wahrnehmung und der Ausdruck von Gefühlen verändert sein. Betroffene fühlen in der Regel genauso tief wie andere, doch fällt es ihnen schwerer, Emotionen – sowohl eigene als auch die anderer – zu interpretieren und angemessen darauf zu reagieren. Bei vielen liegt eine Überschneidung mit alexithymen Merkmalen vor, was dazu führt, dass Gefühle zwar vorhanden, aber schwer zugänglich sind. Solche Schwierigkeiten zeigen sich oft schon im Kindesalter, wenn Kinder ihre Emotionen nicht benennen können, auf Reize unerwartet reagieren oder sich sozial zurückziehen.
Eine eingeschränkte Gefühlswahrnehmung bedeutet nicht, dass Betroffene gefühllos sind – aber es fehlt der Zugang zu den eigenen Emotionen oder der Ausdruck dafür. Hier kann die tiergestützte Therapie mit Pferden eine besondere Rolle spielen. Pferde erfassen Emotionen nicht über Worte, sondern über Körperwahrnehmung und Energie. Sie reagieren auf kleinste Veränderungen in Haltung, Muskelspannung und Atmung ihres Gegenübers und spiegeln dessen inneren Zustand unmittelbar zurück.
Da Pferde Emotionen auf einer körperlichen Ebene fühlen und „speichern“, können sie dem Menschen helfen, eigene, blockierte Gefühle über den Körper (wieder) wahrzunehmen und lernen, einen Ausdruck zu finden.